Benin, Westafrika
Ein kleiner Reisebericht über ein sehr außergewöhnliches Land
Was es zu sehen gibt, wie man sich bewegt

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Wenn man schon zur nigerianischen Grenze unterwegs ist (Visum gibt es anscheinend vor Ort), kann man auch gleich nach Porto Novo weiterfahren (oder eher umgekehrt). 10 Minuten zurück und 15 Minuten ins Landesinnere, und man ist in der Hauptstadt des Landes - Namensgeber natürlich die Portugiesen. Für die zuvor (Seite 1) abgebildete Strecke, hin und zurück, benötigt man eine Bewegungszeit von knapp 3 Stunden, 94 km.
Auch hier in Porto Novo findet man die eine oder andere kleine Sehenswürdigkeit, deren Eintrittsticket man auf Grund der Hautfarbe mit überhöhten Preisen quittieren muss. Ein nicht nur in vielen Teilen Asiens, sondern leider auch hier übliches Prinzip, mit dem ich schon immer auf Kriegsfuss stand, wenn es sich um Dimensionen des drei- bis achtfachen Preises handelte. Es trägt schon fast rassistische Züge.
Eine Kirche, das Parlamentsgebäude und die Bauruine des nie fertiggestellten neuen Regierungssitzes, gleich am Ortsbeginn, mit Blick auf das Wasser. Unweit davon ein Familienmuseum: Der Name "Da Silva" taucht in vielen Geschichten, Filmen und Texten über diesen Teil der Erde immer wieder auf, welches sicherlich etwas mit seiner Vielzahl von Nachkommen zu tun hat. Da kann man auch gleich in das, nicht besonders sehenswerte, Museum der Dynastie gehen. Ein wenig sehenswerter ist das Ethnologische Museum im Stadtzentrum, wenn man einen Führer hat - welcher immer bei den Museumsbesuchen mitgeschickt wird - der dem landestypischen Zungenschlag nicht zu sehr verfallen ist. Denn sonst versteht man, auch wenn man des Französischs mächtig ist, trotzdem nichts. Das, der Markt, ein symbolträchtiger Baum, sowie ein bis zwei Monumente, das ist Porto Novo.

         


Man spürt eine andere Prägung der Menschen. Es ist mit jeder Faser des Körpers wahrnehmbar, das man einem anderen Schlag Menschen gegenübersteht, wenn man durch Benin reist. Jeder Kind kennt das Wort "Cadeau", Geschenk, und verwendet es gegenüber Andersfarbigen fast spielerisch beim Vorübergehen. Jeder Kontakt wird auch zu einer Art Gesten-, Mimik- und Bewegungsanalyse - für beide Seiten.
Man kann bei dem Gegenüber stets eine Gelassenheit beobachten, die das sonnenbedingte Temperament gezügelt und gebändigt zu haben scheint. Aber wehe, wenn die Disziplin keine Hürde mehr darstellt. Potenzielle Kunden einer großen Postfiliale in Cotonou konnten sich ganz schön aufregen, weil diese während den Öffnungszeiten aus purer Lust und Laune heraus geschlossen blieb, und die Tür nur aufging, um dem Weißen in der Menschenmenge, dem Yovo, mal schnell die Briefmarken zu verkaufen. Wenn es etwas weniger umständlich gewesen wäre eine andere Filiale zu finden und zu erreichen, hätte ich diese "freundliche Geste" abgeschlagen.

Sie scheinen jedoch im Allgemeinen geduldiger und mit einem weitaus ruhenderem Pol ausgestattet, als wir Mitteleuropäer. Und sie haben Zeit. Viel Zeit. Teilweise nervtötend viel Zeit. Aber es liegt an uns. Wir sind es nicht mehr gewohnt. Unsere Einstellung zu Zeit hat sich dramatisch industrialisiert. Ihre blieb naturnah.

Wenn ich es richtig in Erinnerung habe liegt die Geburtenrate bei fünf bis sechs Kindern pro Frau. Die Lebenserwartung beträgt gut 60 Jahre. Krankenhäuser und medizinische Versorgungen sind rar. Noch mehr Kinder wären sicherlich recht unpraktisch, denn bis zu maximal fünf Menschen finden auf einem Motorrad Platz, plus Gepäck, versteht sich. Mehr aber geht, meistens, nicht.

         



Eine weitere Säule des gewachsenen Volkscharakters findet man in seiner Historie: Die Verarbeitung der Zeit der Sklaverei. Ich war überrascht mit welcher Offenheit, ja fast will man ihnen eine Gefühllosigkeit dem Thema gegenüber unterstellen, dieser Teil der Vergangenheit angesprochen wird. Es wird in Museen thematisiert und man trifft allerorts auf Zeugnisse dieser eigentlich traumatisierenden Zeitepoche. Ein guter Platz diesem großen Thema bei einem Besuch in Benin zu begegnen ist in Ouidah. Circa zwei Stunden Bewegungszeit von Cotonou entfernt. Die Hauptstrasse dort hin ist ebenfalls eine ewige Baustelle, und so nimmt man am besten die "Route des Peches", eine Piste direkt am Meer entlang, die für sich schon sehenswert ist, so lange sie noch existiert. Sie soll, so die Staatsführung, für die Touristen (für welche?) erschlossen und ausgebaut werden. Noch aber ist sie ein Schaufenster für das Leben am Meer in Benin.

         

    

Der Strand lädt zum Baden ein, aber es gibt Strömungen und Gefälle. Aber auch guten Sand, streckenweise ein paar mehr kleine Krebse. Ab und an eine Art Restaurant, Bistro, Bar, die aber im Allgemeinen nur an Wochenenden geöffnet haben. Ausflugsziele für Einheimische liegen direkt am Ortsausgang von Cotonou, wenige hundert Meter neben dem südlichen Ende des Flughafens.

    

Der Küste entlang lebt man in kleinen Siedlungen, mehr ein paar zusammengewürfelte Hütten oder Häuser, etwas dichter bei einander, etwas weniger verstreut am Straßenrand.

          

         

Das Meer bietet seinen Anrainern die Grundlage dessen, was man zum Leben benötigt. 
Um die großen Netze aus dem Wasser zu ziehen, ist die gesamte Ortsgemeinschaft notwendig. Manchmal reicht das Tau sogar bis über die Strasse. Unter Palmen zieht es sich schattiger. Dann muss es kontrolliert hoch gehalten oder auf den Boden gedrückt werden, je nach dem was vorbei kommt. Begleitet wird die Arbeit durch chorale Gesänge oder gemeinschaftliche Ausrufe. Ein ganz besonderes Schauspiel für Auge und Ohr. Wir werden ärmer auf dieser Welt, wenn wir die wenigen noch übrigen Riten und Rituale, die Gewohnheiten und Traditionen weiter einebnen und dem vermeintlichen Ziel einer "besseren Welt" zu opfern gedenken.

         

Noch ein paar Impressionen vom Leben am Meer:

         



Die Bucht von Benin wird beherrscht von einer Lagune, die sich, vom Fluss Mono gestaltet, über viele Kilometer parallel zum Meer erstreckt. Ein Abstecher zu Bab's Dock, einem Lagunen-Badesteg mit angeschlossenen Restaurant und kleinen Sehenswürdigkeiten, welches man nur durch eine Motorbootfahrt durch den Mangrovenwald erreicht, ist sehr empfehlenswert. Für ein paar geruhsame Stunden um die Mittagszeit (begrenzte Anzahl von guten Plätzen, je später, desto voller). 
Weiter geht die Fahrt Richtung Ouidah, wo sich die einzige Brücke über die Lagune befindet. Das ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht unbeabsichtigt, denn wir nähern uns dem Verschiffungsort von über 10 Millionen Sklaven, deren Schicksal besiegelt zu sein schien, wenn sie sich erst jenseits der Lagune befanden. Denn von hier gab es landschaftsbedingt nur sehr eingeschränkte Fluchtmöglichkeiten. Rundherum Wasser.

Die Sklaven stammten vornehmlich aus diesem Teil Afrikas, viele aus dem Königreich Dahomey (später Republik mit gleichem Namen bis 1975), vage innerhalb des Grenzverlauf des heutigen Benins (und späterer Ausdehnung), deren schaurige Geschichte in Ouidah gut und an mehreren Gedenkstätten nachempfunden werden kann.
Neben der "Porte de Non-Retour", dem Tor der Nichtwiederkehr, gibt es das Monument der "Porte de Retour", der Rückkehr all der Familien, die Jahrzehnte oder Generationen später aus Südamerika befreit zurückkehren konnten.

         

         

         

Neben dem "Baum der Wiederkehr" - zumindest die Seele sollte zurückkehren können, wenn man ihn drei Mal umrundete, existiert auch der "Baum des Vergessens", und ein Monument am Massengrab, für all die, die es noch nicht einmal auf die Schiffe geschafft haben. Man taucht tief ein in die Sinnhaftigkeit der qualerleichternden Rituale und dadurch in den Schrecken dieser Zeit.

         

         

Im "Portugiesischen Fort", auch als "Französisches Fort" bekannt, nach deren Übernahme so benannt, jetzt ein Museum im Stadtzentrum, kann man noch Einiges über diese erschütternde Zeit erfahren. Zum Beispiel, dass die Sklaverei ohne die Unterstützung der damaligen Könige gar nicht möglich gewesen wäre, die im Tausch gegen Waffen - um ihr Macht zu vergrößern - ihre eigenen Dörfer entvölkert haben.

         

Überraschend gelassen werden die Gräueltaten von ernannten oder selbsternannten Touristenführern lebendig und anschaulich erklärt. Man tut gut daran einen Preis für diese Dienstleistung vorher festzulegen, damit es hinterher nicht zu Missstimmungen kommt. Das Erleben einer der, in der Menschheitsgeschichte barbarischsten Epoche der Irrwege entschädigt bei weitem, je nach Interessenslage, für jedes verpasste touristisch durchorganisierte Tierwelterlebnis.
Machtbesessenheit und die Gier nach Geld hat die Menschen immer wieder "versklavt", nur die Mittel wurden und werden immer der Zeit angepasst werden. Nicht umsonst aber hat dieses Wort seinen Ursprung aus dieser Zeit.
  
Man tut sich etwas schwer beim Erfragen der Standorte der Sehenswürdigkeiten in Ouidah, denn das ausgeschilderte Tourist-Office entpuppt sich augenscheinlich als Familienunternehmen mit rein wirtschaftlichen Interessen. So fragt und hangelt man sich durch. Der Sklavenweg, die 6 km, welche die Verdammten vom Fort zum Strand zurücklegen mussten, ist die Achse auf der man suchen sollte. Es hilft ungemein, wenn man weiß wie das, was man sucht, aussehen soll.

Indes gibt es in Ouidah noch mehr zu sehen: der "Foret Sacree", der heilige Wald, in dem ein Baum umgefallen sein soll, der sich Tage später von allein wieder aufrichtete (noch gar nicht so lange her), und viele andere Kuriositäten, Götterdarstellungen und einem Voodoo-Tempel. Voodoo: Eine nächste Erlebensebene in Benin.

    

    

 Wenn es gilt die Sehenswürdigkeiteinliste zu komplettieren, wenn man schon mal in Ouidah ist: Der Markt mit einer Voodoo-Requisiten-Ecke. Photographieren gegen eine Gebühr von aggressiver Schelte oder wahlweise 50.000 Francs (z.Zt. ca. 75.- Euro, das Dreifache eines Durchschnittsmonatslohns), einem Phantasiepreis, gestattet. Selbst die Früchte auf dem Markt unterliegen einem Photographieverbot. Das Gleiche gilt oft auch für Trivialitäten am Straßenrand. Unverständlich, denn dann bannt man statt dessen einfach das unmöglich zubereitete und unzumutbare Käsesandwich zum überzogenen Preis (ca. der Gleiche wie bei uns) auf digitales Zelluloid. Wenn ihnen das lieber ist ..

Und es gibt eine Kirche, die auch schon von "uns Papst" besucht wurde, mit einer Kultstätte, die eine Szenerie von Lourdes nachstellt, und natürlich dem Python-Tempel. Länger als 10 Minuten braucht man jedoch nicht, um sich mit einer Schlange um den Schultern photographieren (wooh, gestattet) zu lassen.
Gute Toiletten und ein einigermaßen ansprechendes Essen findet man im Kunstmuseum "Zinsou", schräg hinter der Kirche.



    

         

    

Und weil es in Ouidah wirklich viel gibt, was sich zu besichtigen lohnt, bleibt man am Besten gleich über Nacht. Es ist nicht ratsam mit einbrechender Dunkelheit noch mit dem Auto unterwegs zu sein, denn allzu oft kommen zu den unverhofften Schlaglöchern noch unvorstellbar dunkle Autos oder Motorräder hinzu. Dies kann nicht der Grund dafür sein, warum man sich schon ab 12 Uhr Mittags ein fröhliches "Bon soir" zuruft?
Es trifft sich einfach gut, dass zufällig das "Casa del Papa", eines der nicht nur lagemäßig besten Hotels in Benin, direkt am Strand, Ouidah praktisch vorgelagert ist. Den Sklavenweg zurück zum Strand und fünf Kilometer rechts der Lagune folgend, anstatt links zurück Richtung Cotonou. Für westliche Verhältnisse sehr einfache Unterkünfte, aber mit das Beste, was wir im Land erlebt haben. Sauber, mit Restaurant-Terrasse und sogar einem Internet-Hotspot, theoretisch zumindest.
Am nächsten Tag setzt man die Besichtigungen fort oder fährt vielleicht weiter zum "Bouche du Roi" der Mündung der Lagune ins Meer, oder gar nach Grand Popo, einem langgezogenen küstennahen Ort mit Grenzübergang nach Togo.
Den "Bouche du Roi" erreicht man sowohl auf dieser Seite, einfach durch die Weiterfahrt am Casa del Papa vorbei Richtung Westen, oder zurück über Ouidah den Lac Ahome streifend, am Abzweig in Grand Popo auf der neu aufgeschütteten Strasse, dann vom Westen her kommend. Dort gibt es: Nichts. Aber die Fahrt ist lohnenswert und erlebnis- und landschaftsreich. Auf dem Lac lässt sich sogar eine Bootsfahrt arrangieren.
Zurück geht es geeignetenfalls wieder über die Route des Peches.

    

    

    

    

    

    

    

Vom Casa del Papa über Ouidah und Grand Popo, dem "Bouche du Roi", zurück nach Cotonou.
Gut 180 km und ca. 5 Stunden Bewegungszeit.



Das Leben am Meer, das Leben am See und jenes im Landesinnere, drei sich wesentlich von einander unterscheidende urbane Gebiete Benins. Alle drei in Ihren Unterschieden sehr aufschlussreich.
Bisher haben wir einen kleinen Eindruck vom Leben am See, ein bisschen vom Landleben, und einen recht guten Eindruck vom Leben am Meer bekommen können.






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Erstellt und photographiert, copyright by: 2014


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